Künstliche Intelligenz – oder KI – berührt viele Bereiche unseres täglichen Lebens.

Digitale Sprach­assistenten beantworten unsere Fragen, Roboter am Arbeitsplatz übernehmen Routine­aufgaben und Chatbots unterstützen zusätzlich, wenn wir sie brauchen. Seit Jahren werden Persönlich­keits­frage­bögen mithilfe von Algorithmen automatisch ausgewertet, welche vorher von Experten entwickelt wurden.

Doch das ist nur der Anfang. KI gewinnt für Online Assessment weiter an Bedeutung – und es gibt Fragen, mit denen Sie als Personal­leiter, Recruiter oder Talent Professional sicher konfrontiert werden.

Kennen Sie die Antworten?

Nachfolgend finden Sie 8 grundlegende Fragen, auf die Sie die Antworten wissen sollten.

Frage Nr. 1

Was bedeutet KI im Zusammenhang mit Online Assessment?

KI ist mittlerweile Teil vieler Online Assessments, die auf solider Psychometrie basieren. Die Bandbreite an Einsatz­möglich­keiten ist riesig und liefert vielfältige Informationen für Personal- und Recruitingentscheidungen. Ein Beispiel sind Tests zum situativen Urteils­vermögen (Situational Judgement Test = SJT), bei denen mithilfe von Chatbots realistische Konversationen via Text­nachrichten dargestellt werden. Auch bei der Algorithmen-gestützten Analyse der Antworten, die Kandidaten in Tests geben, kommt KI ins Spiel.
 

Frage Nr. 2

Wird künstliche Intelligenz (KI) bereits im Online Assessment eingesetzt?

Die einfache Antwort ist Ja! Die Nutzung von KI in Online Assessments hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Es wird viel darüber diskutiert, wie sich KI auf Arbeits­plätze auswirkt. Oder wie sie die Arbeits­weise von Personal­abteilungen und deren Zusammen­arbeit mit anderen Unternehmens­bereichen verändert. Etliche Routine­aufgaben, die vorher von Mitarbeitern erledigt wurden, laufen bereits mithilfe von KI automatisiert ab. Wir alle gewöhnen uns daran, dass KI ein Teil unseres Lebens ist, z. B. durch personalisierte Online-Werbung und Smart-­Home-­Geräte.

Deshalb ist es keine Überraschung, dass auch Online Assessment von dieser Entwicklung beeinflusst wird.

In den 90er-Jahren wurden papier­basierte Tests durch die Umstellung auf PC erstmals zu Online Assessments - mit einem automatisierten Scoring und automatisch generierten Ergebnis­berichten. Zum ersten Mal übernahm hier die Technologie Routine­aufgaben im HR-Bereich und Algorithmen wurden verwendet, um einen Ergebnis­bericht zu erstellen. Mittlerweile wird KI eingesetzt, um einzigartige Online Assessments durch Item-Generatoren in Echtzeit zu generieren, individuelle Ergebnis­berichte zu erstellen und adaptives Testen zu ermöglichen.

Frage Nr. 3

Welche Fachbegriffe spielen beim Thema KI eine Rolle?

Bei der Vielzahl an unterschiedlichen technischen Begriff­lichkeiten rund um KI kann man leicht den Überblick verlieren.

Roboter­gesteuerte Prozess­automati­sierung: Hierbei wird Fachwissen gesammelt und in der Programmierung mit der sogenannten Wenn-­Dann-­Bedingung in ein regel­basiertes System übertragen. Dies findet vor allem bei Chatbots Anwendung. Dieses regel­basierte System ist jedoch nicht in der Lage, zu lernen und sich weiterzuentwickeln, wenn es keine konkreten Anweisungen erhält. Im Online Assessment kommt es vor allem bei automatisch generierten Ergebnis­berichten zum Einsatz.

Maschinelles Lernen: Ein Computersystem kann zwar nicht selbst denken (zumindest noch nicht), aber es können statistische Instrumente einbezogen werden, die es dem System ermöglichen, Vorhersagen aus beliebigen Daten zu simulieren – und diese zu ergänzen, um die Vorhersage im Laufe der Zeit zu verbessern. Dies ist auch die Basis daten­gestützter Talent­analyse und unterstützt Arbeitgeber dabei, bessere Personal­entschei­dungen zu treffen.

Musterabgleich („Pattern Matching“): Bei dieser KI-Technik überprüft der Computer die Reihenfolge der Antworten, um festzustellen, ob es ein bestimmtes Muster gibt. Wenn es darum geht, „menschliche Aufgaben“ zu übernehmen, wie das Erkennen von Gesichtern oder das Identifizieren von Emotionen, wird diese Technik eingesetzt.

Computerlinguistik: Hierbei geht es darum, aus Text- und Sprachanalysen die zugrunde liegende Bedeutung zu extrahieren. Ein Einsatz­gebiet ist beispielsweise die Analyse von Interview­antworten.

Durch die Kombination dieser vielfältigen technischen Möglichkeiten nimmt KI zunehmend eine Schlüssel­rolle bei der Analyse und Interpretation großer Datenmengen im HR-Bereich ein.

Frage Nr. 4

Wie verbessert KI Online Assessments für Kandidaten und Personaler?

Diese fünf wesentlichen Vorteile bietet KI:

1. Präzision. KI kann riesige Datenmengen analysieren, viel mehr als jeder Mensch. Computer werden immer leistungsfähiger – und sind somit in der Lage, noch größere Datenmengen präzise auszuwerten und damit bessere Auswahl­entschei­dungen zu ermöglichen.

2. Effizienz. Wann immer Sie einen Prozess automatisieren, steigern Sie die Effizienz. KI ermöglicht es Recruitern und Personal­entscheidern, noch früher im Auswahl­prozess jobrelevante Daten einzubeziehen, die eine objektive und fundierte Entscheidung unterstützen. Video Interviews sind ein Beispiel: Mithilfe von KI sind diese schon frühzeitig im Auswahl­prozess einsetzbar. Weitaus früher, als es bei einem persönlichen Interview der Fall wäre.

3. Reduzierung von Beurtei­lungs­fehlern. Niemand ist völlig frei von Vorurteilen und Stereo­typen – und das kann sich negativ auf Personal­entschei­dungen auswirken. In der Theorie können durch KI gewonnene Daten Recruitern dabei helfen, bewusste und unbewusste Vorurteile und somit Beurtei­lungs­fehler zu vermeiden. Jedoch ist ein Algorithmus nur so gut wie die Daten, die ihm zur Verfügung stehen. Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur ein Verant­wortlicher mit dem entsprechenden System arbeitet und Informationen eingibt oder Daten bearbeitet, da Vorurteile oder Tendenzen so leicht übernommen werden können.

4. Einhaltung gesetz­licher Regelungen. Wenn KI bei Personal­entschei­dungen eine Rolle spielt, muss der Einsatz transparent sein. Algorithmen, die als komplexe „Black Box“ aufgebaut sind, sind problematisch. Auswahl­entschei­dungen können so schwer gerecht­fertigt werden, da nicht genau nachvoll­ziehbar ist, wie Ergebnisse und darauf aufbauende Entscheidungen zustande kommen. Deshalb ist es umso wichtiger, KI durch kontinuier­liches „Füttern“ mit Best-Practice-Beispielen von menschlichen Beurtei­lungs­prozessen zu trainieren. Das gewährleistet einen nachvoll­ziehbaren und somit gesetzlich vertretbaren Ansatz.

5. Candidate Experience. KI kann die Candidate Experience im gesamten Bewerbungs­prozess erheblich verbessern. Wenn Kandidaten Fragen zum Auswahl­verfahren oder zu bestimmten Online Assessments haben, kann z.B. ein Chatbot sofort unterstützen und grundlegende Antworten geben. Offene Fragen in einem Persönlich­keits­fragebogen oder einem SJT (= Situational Judgement Test), die mithilfe von KI ausgewertet werden, bieten den Bewerbern mehr Freiheit und Flexibilität in der Beantwortung. Anders als geschlossene Fragen geben sie den Kandidaten das Gefühl, sich besser präsentieren zu können. Schnellere Entschei­dungs­prozesse, weniger Beurtei­lungs­fehler und motivierende Online Assessments: KI verbessert die Candidate Experience auf vielfältige Weise.

Frage Nr. 5

Wie unterstützt KI Video Interviews?

Bei Video Interviews geht es grundlegend darum, dass Kandidaten auf kompetenz­basierte Interview­fragen antworten und dabei ein Video von sich selbst aufzeichnen. Das bietet eine Reihe von Vorteilen: Kandidaten müssen nicht für das erste Interview anreisen, Recruiter können sich die Aufzeichnung anschauen, wann und wie oft sie möchten, und diese mit anderen Personal­entscheidern teilen. Auch wenn das bereits viel Zeit bei allen Beteiligten einspart, ist die Analyse und Auswertung der Antworten immer noch aufwendig und langwierig.

Kann uns KI auch bei diesem Prozess­schritt die Arbeit erleichtern? Die Antwort ist Ja!

Zum Beispiel durch die Transkription des Gesprochenen, eine Analyse der Verständ­lichkeit der Sprache sowie der Sprach­kompetenz und die Erfassung visueller Signale mithilfe von Emotions-­Tracking-­Software oder Gesichts­erkennung: KI kann also auch bei der Auswertung von Video Interviews umfassend unterstützen.

Frage Nr. 6

Welche Heraus­forde­rungen gibt es bei der Nutzung von KI im Online Assessment?

Neben den techno­logischen Aspekten der KI gibt es vier weitere Heraus­forde­rungen, die bewältigt werden müssen:

1. Recht­liche Vertret­barkeit. Standar­disierte Plug-­and-­Play-KI-­Systeme sind auf dem Markt zu haben, aber sie heben Ihre Arbeitgeber­marke nicht hervor. Wenn Ihre Mitbewerber dieselben Systeme verwenden, sprechen sie auch die gleichen Talente an. Außerdem verwenden diese Systeme sogenannte Deep-­Learning-­Netzwerke, die im Laufe der Zeit dazu lernen. „Deep Learning Networks“ können dazu führen, dass Auswahlentscheidungen getroffen werden, die auf einem Algorithmus basieren, der unkontrolliert gewachsen ist und deshalb Gefahr läuft, falsche und/oder diskriminierende Entscheidungen zu treffen. Dadurch fehlt Ihnen die rechtliche Grundlage. Nur kunden­spezifische KI-Systeme bieten die Voraussetzung für eine transparente und fundierte Personalauswahl.

2. Zeit. Individuelle KI-Systeme spiegeln das menschliche Verhalten wider und entsprechen den Best Practices ihrer Nutzer. Um dies zu erreichen, müssen Sie dem System vorab relevante Informa­tionen bereitstellen. Es kann bis zu sechs Monate dauern, um ein KI-System so zu "trainieren", dass Kandidaten genauso bewertet werden, wie Ihre Recruiter und Personal­entscheider sie beurteilen würden. Diese lange Vorlauf­zeit kann für Unternehmen eine Heraus­forderung sein.

3. Ethik. Wie viele Prozess­schritte ein KI-System letztendlich automatisiert erledigt, ist auch eine moralische Frage. Bevorzugen Sie zum Beispiel, dass unpassende Kandidaten direkt abgelehnt werden? Oder eher, dass diese gekenn­zeichnet werden, damit Sie die Daten manuell überprüfen können? Festzulegen, in welchem Rahmen der Einsatz von KI ethisch sinnvoll ist, wird für viele Arbeitgeber eine entscheidende Herausforderung sein.

Die Rolle der KI sollte sich auf die Bereit­stellung zusätzlicher Informationen und die Steigerung der Effizienz beschränken. Wichtig ist, dass Recruiter ihre Ziele immer vor dem Auswahl­prozess festlegen. Denn nur so kann KI in verschiedenen Phasen des Auswahl­verfahrens nützliche Informationen liefern, die eine endgültige Entscheidung unterstützen.

4. Datenverarbeitung. KI eignet sich besonders für die Analyse großer Datenmengen. Doch Ergebnisse können falsch interpretiert oder sogar absichtlich missbraucht werden. Umfassende Daten­schutz­maßnahmen sind nicht nur für die Daten­sicherheit unerlässlich, sondern tragen auch zu einem guten Unternehmens­image bei. KI sollte daher nur mit Bedacht eingesetzt werden, um Sie dabei zu unterstützen, vorher­zusagen, welche Kandidaten zukünftig erfolgreich sein werden.

Frage Nr. 7

Wie können wir sicher­stellen, dass beim Einsatz von KI alle gesetz­lichen Rege­lungen eingehalten werden?

Der Auswahl­prozess – ob bei Neu­ein­stellungen oder Beförderungen – muss immer fair und transparent sein. Jegliche Art von Diskrimi­nierung in Bezug auf Geschlecht, Rasse oder andere Aspekte der Identität muss ausgeschlossen werden.

Zudem gilt das Persönlich­keits­recht – und somit das Recht auf informa­tionelle Selbst­bestimmung. Dies gibt Kandidaten z. B. die Möglichkeit, Auskunft darüber zu verlangen, wie die Ergebnisse aus einem Online Assessment genutzt werden. Gemäß der europäischen Datenschutz-­Grund­verordnung müssen Sie sicherstellen, dass die Kandidaten darüber informiert sind, wie und warum die Online Assessments eingesetzt werden und inwiefern die Ergebnisse zu einer Personal­entschei­dung beitragen.

Frage Nr. 8

Wie wird sich die KI im Online Assessment voraus­sichtlich entwickeln?

Der Einsatz von KI im Online Assessment hat bereits stark zugenommen und wird sich auch in Zukunft durch den technischen Fortschritt weiter­entwickeln.

Aktuell wird bereits daran gearbeitet, wie Antworten auf offene Fragen in einem Persönlich­keits­fragebogen interpretiert und automatisch aus­gewertet werden können. Dies kann auch für andere Online Assessments nützlich sein. Zum Beispiel für solche, die im Stil eines Instant-Messengers entwickelt wurden. Außerdem könnten Avatare eingesetzt werden, die Echtzeit-Interviews über das Internet durchführen oder als „Beobachter“ des Interviews eines Personal­verant­wortlichen fungieren.

Die Nutzung von KI im Online Assessment entlastet die Verantwort­lichen bei adminis­trativen Aufgaben und reduziert den Arbeits­aufwand – stellt aber sicher, dass die finale Entscheidung von einem Personaler getroffen wird.

 

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